Helen Acosta, Ervil Jovković, Jörg Lange, Hildegard Skowasch, Matthias Schamp, Stoll & Wachall
Öffnungszeiten:
Mittwoch bis Sonntag von 15.00 bis 19.00 Uhr
Freitag,
26. Juni 2015, 19.00 Uhr
Vernissage
und Start der Kunstlotterie
Sonntag,
27. Juli 2014, 19.30 Uhr
Finissage
mit Künster_innengespräch und Auslosung der Kunstlotterie
Kunst als Segen, eine Ausstellung im Rahmen des Kunst- und
Kulturfestivals "48 Stunden Neukölln" (S.O.S. Kunst rettet die
Welt)
Bei all den Bestimmungen um das Wort "Retten" kann man nicht
umhin, an existentielle Grunderfahrungen wie Verletzbarkeit und
Heilung oder auch an Erlösung zu denken. So ist auch der Segen ein
religiöses Ritual, durch das man Anteil an göttlicher Kraft ?
welche auch immer ? erlangen kann. Kreuzzeichen, Handauflegen sowie
Besprengen mit Weihwasser sind bekannte Formen im Christentum, mit
denen auch die Künstler der Ausstellung arbeiten. Aber was kann ein
religiöses Symbol sein, wenn es in einem künstlerischen Kontext
verwendet wird? Religiöse Zeichenvorräte werden von
zeitgenössischen Künstlern in ihre säkulare Sprache übersetzt und
damit wird auch das religiöse Fundament unserer Kultur reflektiert.
Vermehrt gibt es Tendenzen, Kunst mit spiritueller Kraft aufzuladen.
Man denke nur an die jüngste Performance "512 Hours" von
Marina Abramovic, bei der die Betrachter in einem leeren Raum mit der
Künstlerin in quasi religiöser Konzentration und Versenkung
gelangen sollen. Sinn und Segen wird gesucht, wird er auch in der
Kunst gefunden? Das geschieht sicherlich nicht, wenn die Kunst auf
einen Sockel gehoben wird, auf dem sie über jede Kritik und
Reflexion erhaben ist. Sie sollte vielmehr Erfahrungsmöglichkeiten
und Urteilsfindungen ermöglichen.
Helen Acosta
präsentiert eine Segnungsmaschine bzw. Benediktiergerät ?für
jeden Haushalt" Mit Hilfe eines Knopfes wird ein Mechanismus
ausgelöst, der von innen einen weißen Lichtstrahl in Form eines
Kreuzes ? erst von oben nach unten, dann von links nach rechts ?
auf die Stirn des Benutzers wirft und ihn dadurch segnet. Hintergrund
dieser Erfindung ist ein Brauch aus ihrer Heimat Gran Canaria: Dort
werden Menschen zum Schutz gesegnet und mit Kraft ausgestattet, bevor
sie aus dem Haus gehen.
Ervil Jovković
verwendet in seiner Serie YAD (hebräisch: Hand) Handsymbole aus dem
muslimischen, dem christlichen und dem jüdischen Volksglauben. Jeder
dieser drei Buchreligionen widmet er eine Zeile von zehn Polaroids in
seiner dreireihigen Bildserie. Einige dieser (original) Polaroids
überarbeitet er mit dem Siebdruckverfahren. Dabei greift er Symbole
der muslimischen Hamsa
(arabisch: fünf), der mano
poderosa
(spanisch: mächtige Hand) aus dem christlichen Mexiko sowie der
Hand der Mirjam
aus dem Judentum auf. So verschränken sich Symbol und konkretes
Abbild, modernes und traditionelles Bildgebungsverfahren, Unikat und
Multiple. Die Polaroids werden zu individuellen Schutzkärtchen,
ähnlich den Heiligen- bzw. Segenskärtchen des Volksglaubens.
In der Arbeit SPEICHER macht er das dokumentarische Foto eines
Weihwassertanks der Gebetsstätte ?Maria zum Sieg" in Wigratzbad
zum Szenenbild seiner Installation. Dem Beobachter führt es so die
reale Wirkmacht vor Augen, die ein solcher spiritueller Ort für
seine Anhänger haben kann, auch wenn der Außenstehende ihn als
Skurrilität wahrnimmt.
Jörg Lange
wurde von einem Aphorismus des Hippokrates inspiriert: Während der
Ausstellungszeit lässt er zwei Gebetskerzen ?konkurrierend"
abbrennen. Auf der einen steht in goldenen Lettern VITA BREVIS (das
Leben ist kurz), auf der anderen ARS LONGA (die Kunst ist lang). Es
wird sich zeigen, welche der beiden Maxime sich brennend bestätigt
oder sich vor der anderen in Rauch auflöst.
Hildegard Skowasch
zeigt Schrift-Bilder aus farbig glasierter Keramik. Als Quelle dienen ihr
bekannte Phrasen und Wortsequenzen, auf welche sie in besonderer
Weise aufmerksam machen möchte. Die in der Ausstellung inszenierte
Zusammenstellung zweier Gebetsformeln lässt den hintersinnigen Witz
der Künstlerin erkennen.
Matthias Schamp
greift in einer Besucheraktion das Phänomen des "Selfies" auf und überspitzt dieses in seinem Angebot der Selbstheiligung: Die Besucher können sich selbst vor einemgoldenen Heiligenschein fotografieren. Sein Kunstwerk (aus goldgelb
frittierten Pommes) dient nicht mehr der Betrachtung sondern als Hintergrund zur Selbstinszenierung.
Das Künstlerduo Stoll & Wachall
reflektiert in poetisch experimenteller Bildsprache die Frage nach der Identität des Menschen in einer übermedialisierten Gesellschaft. In der Videoinstallation "WELTSCHMERZ made in Germany" inszenieren sich die Künstlerinnen als Dienstleisterinnen für das verloren gehende Gefühl des Weltschmerzes, welches von der Last des Irdischen und der damit einhergehenden Erlösungssehnsucht geprägt ist.
Kuratiert von Susann Kramer und Ren� Moritz