[for english version see below]
Die Ausstellung ’Kurfürstenstraße’
zeigt den eigenen, persönlichen Blick der Sexarbeiter_innen auf ihren
Lebensalltag und verbindet diesen mit dem der Außenwahrnehmung der
Fotografin Kathrin Tschirner, die die Frauen und Transfrauen über ein
Jahr begleitet hat.
Der Norden Schönebergs ist schon seit 1885 einer
der wichtigsten Prostitutionsmärkte Berlins. In diesen 130 Jahren hat
sich das Gebiet stark gewandelt, die Beweggründe für die Frauen aber
sind auf einzigartige Weise gleich geblieben. Was ihnen heute wie
gestern gemein ist, sind die geringen Ressourcen, auf die sie
zurückgreifen können und der stets kritische Blick der Gesellschaft auf
sie. Die begriffliche Zuschreibung ’Prostituierte’ ist noch immer so
oberflächlich und negativ besetzt, dass die Protagonist_innen nicht als
Individuen gesehen werden. An dem Begriff entzünden sich politische
Diskussionen, fernab der Realität und des Alltags für die Mädchen und
Frauen auf der Kurfürstenstraße, fernab auch der Hintergründe und Bedürfnisse aller Beteiligten.
Der Frauentreff Olga, eine Kontakt- und Beratungsstelle für drogenabhängige Frauen und Prostituierte an der Kurfürstenstraße,
führte aus diesem Grund 2014 ein Projekt namens ’Photovoice’ durch.
Photovoice ist eine einzigartige partizipative Methode für Menschen aus
marginalisierten Gruppen, zur Stärkung ihrer Ressourcen und um sowohl
den Teilnehmer_innen als auch der Gesellschaft einen Blick auf sich und
ihre Lebenswelt zu ermöglichen. Im konkreten Fall ist dies das Feld der
Prostitution an der Kurfürstenstraße. Mit einer
analogen Kamera, alleine oder in Begleitung der Mitarbeiterinnen des
Olga oder der Fotografin Kathrin Tschirner, unternahmen die Frauen
Streifzüge durch den Kiez. Daraus resultierten nach 10 Monaten
Projektarbeit 24 lebensnahe Bilder und einzigartige Geschichten von
Frauen der Kurfürstenstraße, die den Betrachter
auf einen Ausflug durch die Straßen des Kurfürstenkiez und die
individuellen Leben von 14 Frauen mitnehmen.
Dieses Foto-Projekt wurde vom Frauentreff Olga und mit der Unterstützung der Fotografin Kathrin Tschirner durchgeführt. Diese hat im Rahmen ihrer Masterarbeit über eineinhalb Jahre die Straße porträtiert und ehrenamtlich im Frauentreff gearbeitet. Ihr daraus entstandenes Buch ’Kurfürstenstraße’
setzt sich wie ein Puzzle aus den Erzählungen der Sexarbeiter_innen,
des heterogenen Miteinanders des Umfeldes und ihren Erlebnissen in
dieser Zeit zusammen. Dabei geht sie fragmentarisch vor, in dem Wissen,
dass für sie immer Lehrstellen bleiben werden.
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The exhibition Kurfürstenstrasse
is comprised of two overlapping sections - photographs and interviews
produced by sexworkers in Berlin and the photography of Kathrin
Tschirner, who worked with the women over the course of one year to
facilitate and produce Kurfürstenstrasse.
Since 1885, the north of Schöneberg has continuously been one of the
major prostitution areas in Berlin. In these 130 years, the area has
changed dramatically, but the motives for the women remain the same in a
unique way. What connects the contemporary sex workers with their
colleagues of the past are the minimal resources that they have access
to and the often critical view of the community around them. The label
’prostitute’ is superficial and has negative connotations and the woman
are often not seen as individuals. Political discussions exist away from
the day to day reality of the women of Kurfürstenstrasse, are often far removed from their actual needs and fail to serve them as individuals from diverse backgrounds.
Olga,
founded in 1984, is a counseling center for drug-dependent women and
prostitutes in Berlin. In 2014 Olga began a Photovoice project with the
cooperation and support of the photographer Kathrin Tschirner.
Photovoice refers to a unique participatory method for people from
marginalized groups to strengthen their resources and to allow both the
participants and society a view of themselves and their world. With an
analog camera, alone or with the staff of Olga or Kathrin Tschirner, the
women took walks through the neighborhood, making photographs to tell
their own stories. This result of the ten-month project are 24
photographs drawn from the lives and unique stories of 14 women that
take the viewer on a journey through the ’Kurfürstenkiez’.
Kathrin Tschirner
photographed the same women and their surroundings during the one and a
half years she volunteered at Olga and produced the book Kurfürstenstrasse
as part of her Master’s thesis at the HAW Hamburg under professor Ute
Mahler. The book is being shown publicly for the first time at this
exhibition. The book is like a puzzle from the tales of sex workers, the
coexistence of a heterogeneous environment and Tschirner’s experiences
during this time. It is a non linear exploration of the women and their
work environment, leaving many unanswered questions.